Im Gespräch mit Tim von Winning
Im Gespräch mit Tim von Winning. Baubürgermeister Ulm (Sedelhöfe).
Einstieg: Was sind die Aufgaben eines Baubürgermeisters?
Der Baubürgermeister leitet den Fachbereich Stadtentwicklung, Bau und Umwelt. Dazu gehören in der Ulmer Verwaltung die drei Hauptabteilungen Stadtplanung, Umwelt und Baurecht, Zentrales Gebäudemanagement sowie Verkehrsplanung und Straßenbau, Grünflächen und Vermessung. Außerdem gehören die Abteilungen Feuerwehr sowie Friedhofs- und Bestattungswesen zum Fachbereich. Aufgabe des Baubürgermeisters ist es im Besonderen, die Arbeit der Verwaltung zu koordinieren und für die fachlichen Gegebenheiten die politischen Mehrheiten und Entscheidungen zu organisieren.
Welche Rolle spielt die städtebauliche Weiterentwicklung für eine Stadt wie Ulm?
Ich denke, die Bedeutung der Stadtentwicklung ergibt sich aus ihrer Wechselwirkung: Sie reagiert auf wirtschaftliche, demografische und soziologische Entwicklungen, sie beeinflusst sie aber auch. Beispielsweise durch gelingende Konversionen, eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Nutzung von Flächen, das rechtzeitige Reagieren auf Bevölkerungstrends. Auf diese Weise können Bedarfe aus der Bevölkerung und der gewerblichen Wirtschaft erfüllt, aber auch in nachhaltige Strukturen gelenkt werden. Städtebau ist damit ein zentraler Bestandteil einer gestaltenden proaktiven Stadtpolitik. Dies umso mehr in einer Stadt wie Ulm, die als Stadtkreis räumlich enge Grenzen hat, die prosperiert und weiterhin stark wächst.
Wie sieht für Sie eine optimale Quartiersentwicklung aus? Inwiefern ist eine durchmischte Nutzung relevant?
Sie haben ein mir wichtiges Stichwort gerade schon genannt: Durchmischung. Das heißt nicht, dass sich alles mit allem und jeder mit jedem vertragen muss. Aber ich bin überzeugt, dass wir wieder wegkommen müssen von einer strengen Trennung der Funktionen. Diese Trennung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass es zu viele nächtlich verwaiste Innenstädte gibt, öde Schlafstädte rings um die Stadtzentren und die Wege zum Arbeitsplatz unnötig lang sind. Ich glaube auch nicht, dass eine solch strikte Funktionstrennung tatsächlich unseren menschlichen Grundbedürfnissen entspricht. Darüber hinaus ist es auch eine ökonomische Frage, da gemischte Stadtteile ihre Infrastrukturen sehr viel besser und effizienter nutzen können. Mein Ziel ist es, in möglichst vielen Quartieren Wohnen, Freizeit und Arbeiten wieder mit kurzen Wegen möglich zu machen. Auch da eröffnet uns die Digitalisierung der Arbeitswelt vielleicht bisher nicht gekannte Chancen. Diese Vielfalt sollte nicht nur auf funktionaler Ebene stattfinden, sondern sich auch in sozialen Strukturen wiederfinden.
Wie würden Sie den Begriff „Quartier“ mit Blick auf die Sedelhöfe definieren?
Ich glaube, dass die Sedelhöfe auch deshalb ein so überzeugendes Konzept darstellen, weil sie eben nicht nur Einkaufs- und Konsumtempel sein werden, sondern auf eine sehr urbane Weise mehrere innerstädtische Funktionen in sich bündeln: Einkaufen, Gastronomie, Arbeiten und Wohnen. In den Sedelhöfen werden die relevanten Bestandteile des städtischen Lebens vorhanden sein und das Quartier zu einem lebendigen Ort machen. Wichtig auch: Das Projekt stellt sich nicht als eine nach außen abgeschlossene Einheit dar, vielmehr werden sich die Gebäude nahtlos in die Umgebung einfügen, denn die Sedelhöfe sind von allen Seiten zugänglich. Die öffentlichen Straßen und Plätze nehmen die Umgebungsstruktur auf, das Projekt wird ein sinnvoller und wertiger Bestandteil der westlichen Innenstadt.
Inwiefern stellen die Sedelhöfe eine Ergänzung für das vorhandene Stadt- und Nutzungsbild dar?
Die Sedelhöfe entstehen an einem Ort, der bisher städtebaulich eher ein Niemandsland war. Das Areal wurde im Krieg vollständig zerstört. Was dort nach 1945 entstanden ist, war aus heutiger Sicht keine altstadtgerechte Struktur, keine Visitenkarte für den Eingangsbereich der Stadt für die vom Bahnhof kommenden Besucherinnen und Besucher. Das Umfeld präsentierte sich viel eher als eine Art Anlieferhof für die Fußgängerzone. Nun wird sich das Gesicht Ulms an dieser zentralen Stelle fundamental ändern, offener, freundlicher und einladender werden. Die Sedelhöfe erweitern damit die bestehende Struktur auf sehr selbstverständliche Weise.
Was sind Ihre Ziele als Baubürgermeister für Ulm?
Ich möchte Ulms Entwicklung begleiten, die Potentiale wecken, die in dieser Stadt stecken. Damit meine ich nicht in erster Linie repräsentative Bauten. Die bestehenden Brüche sollen dazu nicht beseitigt werden. Aber eine zentrale Aufgabe ist es, im Sinne einer Stadtreparatur die spezifischen Eigenheiten herauszuarbeiten und damit die Identität der Stadt zu unterstützen. Damit die Menschen sich nicht nur in ihrem ganz privaten, persönlichen Umfeld hier wohlfühlen, sondern auch sagen: Das ist meine Stadt! Gute Entwicklungen sind in den letzten Jahrzehnten niemals durch einzelne Personen allein geschaffen worden. Hierzu ist das gute Zusammenspiel aller Beschäftigten innerhalb der Stadtverwaltung, aber auch mit der Bürgerschaft von zentraler Bedeutung. Und daran arbeiten wir, jeden Tag aufs Neue lernend.